„Mord-Ermittlungen“ in Italien

Vor kurzem habe ich mich ja schon einmal über die italienischen Polizeieinheiten ausgelassen und behauptet, die Carabinieri würden sich nicht in die Karten schauen lassen. Nun wurde ich doch tatsächlich eines Besseren belehrt, wie die nachfolgende Geschichte zeigt:

 

Während meiner aktiven Polizeizeit in Deutschland gab es Mitte der achtziger Jahre in Nordwürttemberg eine Serie von Banküberfällen und der Täter ging in die Geschichte als der Hammermörder ein. Es war ein Polizeibeamter aus Stuttgart, der mit seiner Dienstwaffe zuvor nichts ahnende Autofahrer auf abgelegenen Waldparkplätzen erschoss und dann deren Fahrzeuge als Fluchtfahrzeuge für die Banküberfälle nutzte. Kurz bevor man ihn ermitteln konnte, tötete er in seinem Wohnhaus seine Frau und Tochter und setzte sich mit seinem kleinen Sohn nach Italien ab. Er hielt sich noch kurze Zeit am Strand in der Nähe von Fasano auf und tötete dort seinen Sohn und sich selbst mit seiner Dienstwaffe. Da eine Bekannte das Vorgehen des Hammermörders in einer Abiturarbeit verwandte und mich dabei um Hilfe bat, kamen hier wieder alte Erinnerungen auf und die Nähe des Tatortes in Fasano zu unserem Aufenthaltsort in Ostuni veranlassten mich zu einer Nachfrage bei der Polizei. In einem Pressebericht der lokalen Zeitung hatte ich einen Hinweis erhalten, dass der Vorgang seinerzeit durch die Carabinieri bearbeitet wurde und so wurde ich in der Wachstation in Fasano vorstellig. Zunächst konnte mir der Wachhabende nicht weiterhelfen, er war schlicht und ergreifend zu jung, um sich an den Vorfall erinnern zu können und der Vorkommnisbericht im Computer reichte auch nicht so lange zurück, um darüber Aufzeichnung auszuspucken. Also wurde durch den Wachhabenden der Dienststellenleiter bemüht und nach einer seinem Amt angemessenen Wartezeit erschien der Commandante dann auch und bat mich in sein Büro.

Commandante Dott. P. erhält als kleines Dankeschön für seine Gastfreundschaft eine Schirmmütze und ein Abzeichen der sächsischen Polizei.

Nach einigen, sprachlich bedingten, Anlaufschwierigkeiten waren wir dann auf einem durchaus kollegialen Level angelangt und unterhielten über Gott und die Welt im Allgemeinen und Polizeiarbeit in Italien und Deutschland im Besonderen. Dottore P., so hieß der Kommandant, interessierte sich brennend für die Uniformen der deutschen Polizei und dem zu dieser Zeit gerade stattfindenden Wechsel von den alten grün-braunen zu den neuen blauen Uniformen und war ganz erstaunt, dass die deutsche Polizei föderalistisch gegliedert ist. Seiner Meinung nach muss das doch ein heilloses Durcheinander sein, wenn jedes Bundesland seine eigene Polizei unterhält. Bloß gut, dass Italien seine Polizei da besser gegliedert hat. Mir fiel dann wieder ein, dass es in Italien ja nur die Carabinieri und die Guardia di Finanza und die Polizia di Stato und die Polizia Stradala und die Polizia Forestale, die Polizia Penitenziaria, das Corpo Forestale di Stato, die Polizia Provinciale und… und… und… gibt. Ich habe das dann aber lieber doch nicht im Gespräch mit Kollege P. erwähnt.

Auf alle Fälle konnte mir zunächst nicht weitergeholfen werden und Commandante P. versprach mir, sich in Bari im Zentralarchiv schlau zu machen und mich über die Sachbearbeitung dieses damaligen Vorkommnisses zu informieren. Schon zwei Tage später rief er mich an und teilte mir mit, dass auf Grund des so lange zurück liegenden Zeitraums keine Akten mehr existieren. Ich solle aber trotzdem vorbeikommen, er wolle versuchen, noch einige bereits pensionierte Kollegen ausfindig zu machen, vielleicht kann sich der eine oder andere noch an den Vorfall erinnern. Wir vereinbarten also einen Termin und zehn Minuten später klingelte erneut das Telefon und der Kommandant fragte mich, ob auch ein anderer Zeitraum möglich sei. Ich stimmte zu, schließlich war ich ja im Urlaub in dieser Region und hatte die erforderliche Zeit. Erneut klingelte das Telefon und der Termin wurde erneut und ein letztes Mal umgeplant. Dottore P. hatte schwere Geschütze aufgefahren. Neben ihm war noch der Wachhabende anwesend, er hatte für den Kaffee, den Espresso zu sorgen. Außerdem war noch ein Journalist der örtlichen Lokalredaktion anwesend, dessen leider schon verstorbener Vater damals den Artikel für die Zeitung geschrieben hatte. Um die Sprachbarriere zu vereinfachen wurde noch die Deutschlehrerin des örtlichen Gymnasiums bemüht und zu guter letzt zitierte der Dottore noch den Leiter der Carabinieri-Station aus dem Nachbarort zu sich, da diese Dienststelle damals für den Strandabschnitt zuständig war. Nach zwei Stunden angeregter Unterhaltung stellten wir gemeinsam fest, dass erstens leider keine Akten mehr existieren, zweitens keiner mehr etwas weiß oder wissen könnte und drittens Dottore P. mich leider vergebens in seine Station gerufen hatte. Aber trotz des traurigen Anlasses, Spaß hat diese unterhaltsame Besprechung allen gemacht.